Nachdem das eine – Wettertechnisch gesehen – chaotische Woche war und ich mehr Zeit auf Autobahnen in Staus verbrachte, oder insgesamt Stunden damit zubrachte meinen Kurierdienst – Firmenwagen immer wieder von Schnee und Eis zu befreien, war an eine Übergabe, geschweige an ein Stressfreies „Einfangen“ von Emmy nicht zu denken. Abends war ich nur noch fertig und nachdem ich mehrmals einen Parkplatz mit Klappspaten frei schaufeln musste und morgens dennoch nicht heraus kam, weil neuer Schnee gefallen war, erst recht.
Freitagmorgen gab den Höhepunkt einer der nettesten Nachbarn. Ich versuchte mit einem Eiskratzer die Räder frei zu schaben, ruckelte den Wagen bald Schweißgebadet von vorne nach hinten, immer wieder aufs Neue, denn die Zeit drängte. Das alles um 5.30 Uhr, wo Nachbar gerade aufgestanden war, die Rollläden genüsslich geräuschvoll hochzog und mir vollständig bekleidet von seinem Badezimmer aus dabei zuschaute. Ich bin ein friedliebender Mensch – aber dieser Mann ist für mich erledigt! Sich eine Jacke überziehen, Schuhe an und vier Stufen nach unten steigen… Aber nein, warum denn?
Übrigens wurde das Wort „Wutbürger“ zum Wort des Jahres 2010 gekürt. Zwar liegt der Grund zu dieser Kür bei Politik und Bürgern, aber wenn man genau hinschaut, so schaffen sich die Bürger untereinander bereits genügend Wut.
Diese Probleme hatten in dieser Woche Tausende von Menschen und ich will nicht meckern, da andere eine ganze Nacht auf Autobahn, Flughafen oder Bahnhof verbringen mussten.
Somit verschoben wir den Übergabetermin hin und her auf Samstag (oder Sonntag). Unser menschlicher Partner sagte letztendlich: „Ich mache das, ich „schnappe“ mir Emmy am Samstag und alles wird gut. Mich mag sie nicht, aber mir misstraut sie auch nicht.“
Okay, wenn er meint, vielleicht gar keine schlechte Idee, denn ich bin eh zu ehrlich und kann nicht lügen. Einerseits ist das gut, denn Tiere spüren das und finden Vertrauen. Andererseits kann ich somit kleinen Emmys nichts vorspielen.
Heute, am Samstag den 18.Dezember fing es morgens erneut heftig an zu schneien und als ich mit Hündin Gipsy Pipi machen war, was momentan schnell geht, da es ihr an den Pfoten zu kalt wird, sie keine entsprechende Stelle findet und ihre Notdurft mit schlechtem Gewissen mitten auf den frei geschaufelten Gehweg ablegt (die ich selbstverständlich beseitige), trafen wir auf einen festgefahrenen Herrn, der schon ziemlich verzweifelt nach einer Schaufel rief: „Kann mir jemand helfen?“ Klar, niemand konnte / wollte ihm helfen, im Gegenteil, es wurde geschimpft, weil ein Peugeot im Weg stand.
„Was ist mit diesen Menschen nur los?“, dachte ich zum unendlich wiederholten Mal, holte den Klappspaten aus dem Firmenwagen und schob den Wagen des festsitzenden Herren an. Haben die anderen so unendlich viele andere Probleme? Denken die zurzeit nur an ihren obligatorischen Weihnachtsstress? Oder nur an sich? Oder was machen die im Februar, im Juli? Und überhaupt, wie heißt das Wort? Hilfsbereitschaft? Wehe diese Menschen stecken irgendwo fest! Sind das die ersten, die nach heißem Tee und einer warmen Decke schreien? Oder beschweren sie sich gleich, per Email, SMS oder anderen technischen Möglichkeiten beim Apostel Petrus?
Wie dem auch sei, das wird hier sonst zu lang, deshalb zurück zu den Minitigern. Emmy brauchte bis Dienstag, bis sie ihr Misstrauen, was meine Einfangpläne anbelangt, ablegte und zum Futtern ins Badezimmer ging. Das ließen wir laufen: Keine Hektik, keine Gedanken an Transportkörbe, Zukunftspläne, gar nichts.
Maxi und Emmy freuten sich des Lebens, sie mussten nicht ums Überleben kämpfen, wie es jetzt am Hafen der Fall gewesen wäre. Sie tobten, spielten miteinander oder alleine, sahen aus dem Fenster und schauten Schnee oder klauten Katze Schneckchen das Futter – und ich merkte, dass sie gerade jetzt eine Veränderung gut akzeptieren würden. Ihr Umfeld inspizierten sie speziell in dieser Woche noch intensiver als bisher und es wurde ihnen langweilig. Maxi wurde immer anhänglicher, klebte an meinen Socken und selbst Emmy konnte ich mit einem Finger und Auge in Auge berühren. Pfote und Finger, ganz kurz, aber ein voller Erfolg, was das Abrutschen ins Misstrauen der vergangenen Tage anbelangt. Somit war Termin diesen Samstag gut gewählt, eine bessere Chance könnte ich ihnen kaum jemals bieten und es musste klappen.
Unser menschlicher Partner stellte es geschickt an. Strategisch, wie Männer so handeln können. Zuerst lockte ich, wie gewohnt, mit Futter, stellte die Näpfe völlig unbefangen ins Badezimmer, Emmy und Maxi rannten hinein, ich zog mich zurück und schloss (voll mies) die Tür. Danach musste ich eine rauchen, denn es ging mir schon ans Nervenkostüm…
Unser menschlicher Partner wartete geduldig, ging ins Badezimmer und sagte „Hallo“ zu den beiden, stellte eine Transportbox hinein und zog sich wieder zurück. Er ging nach scheinbar endlosen Minuten erneut ins Bad, sagte „Hallo“ und zog sich zurück. Das alles dreimal und jedes Mal wurde er ohne Misstrauen akzeptiert. Ein großer Mann, ein Schauspieler, na, was soll da schon passieren?
Beim vierten „Hallo“ wurde es ernst und er griff die überraschte Emmy, die mit Maxi zusammen im Wäschekorb gelegen hatte. Er setzte Emmy in die, von oben zu öffnende, Transportbox und schloss den Deckel. Maxi hätte man jederzeit auf den Arm nehmen und dazu setzen können, aber Männer entwickeln bekanntlich Jagdtrieb und somit sollte Maxi auf der Stelle folgen. Maxi – Schatzi quittierte diesen Trieb allerdings mit einem tiefen Biss in den linken Daumen.
Wir schaufelten das Auto frei und fuhren los. Die geduldige Familie R. war informiert und wartete auf die neuen Familienmitglieder. Wir fuhren über Autobahnen, an stickigen Städten vorbei und wie man in englischen Filmen und Romanen zu sagen pflegt: „Raus, aufs Land“. Die Städte wurden zu Dörfern und wo das Tante Emma – Waschmaschinengeschäft ist, dort musste man links abbiegen. Berg runter einem Feldweg folgen, der an Feldern vorbei und hinein in das nächste Dorf führt. Fachwerkhäuser, Bauernhöfe und Ruhe, das war der erste Eindruck.
Stille, Vogelgezwitscher und geeignet für ein optimales Katzenleben. Eine Straße, die einzige Straße des Dorfes, befindet sich am Ende oder Anfang von endlosen Feldern, und bedeutet kaum Autoverkehr. Hier muss sich eine Katze absichtlich das Leben nehmen wollen, sehr lange und extrem geduldig auf ein Fahrzeug warten.
Emmy und Maxi kamen erst einmal im Anbau des Hauses unter, in dem sich bereits Katze Stella aufhält. Stella kam von der Katzennothilfe Kitty e.V., ist ungefähr ein Jahr alt und eine urtypische Wilde. Sie wurde in einem Gewerbegebiet ohne große Überlebenschancen gefangen und von Familie R. Dankenswert übernommen. Sie versteckt sich und kommt nur zum Vorschein, wenn sich der Hausherr alleine in seiner Werkstatt, im Anbau aufhält. Wir denken, dass sie sich über muntere Katzengesellschaft freuen wird und eventuell wird die Bande ein Trio, das sich miteinander beschäftigt und voneinander lernt. Eine große Fensterfront mit Heizung und Blick in den Garten, lädt zum spannenden Verweilen und Gewöhnen an die Umgebung ein. Ein im Auf und Umbau befindliches, ähnlich wie hier, gewohntes, kunterbuntes Drumherum lädt zum Verstecken und Spielen ein. Sämtliche rasselnden Bällchen (die, die ich wieder finden konnte), Klappermäuse und Emmys Lieblingsbeschäftigung, die Rennbahn mit integriertem Ball, ein benutztes Katzenklo zum Eingewöhnen und all die Leckerlies zum Locken, wie zum Beispiel der heißgeliebte Katzenpudding … all das gab ich den beiden mit auf den Weg, damit der Abschied nicht allzu schwer fällt…
Frau R. verglich Emmys Augen begeistert mit denen eines Uhus und obwohl ich immer dachte, dass Emmys Augen einzigartig sind und mich dennoch an jemanden erinnern, so trifft dieser Vergleich den Punkt. Emmy und Noctua und Nemorosus – aber dazu später.

Maxi stieg als erste aus der geöffneten Box und erinnerte mich an ihren ersten „freien“ Tag, hier bei uns. Emmy machte es – wie sollte es auch anders sein – Maxi nach, aber sie rannte in die zuerst erreichbare Ecke, während Maxi das Bücherregal untersuchte. Beide sollen sich an die zwei Familienhunde gewöhnen und andersherum. Wenn sich alle miteinander verstehen und arrangieren können, steht Emmy und Maxi auch das Haus zur Verfügung, wo sie rein und raus dürfen, je nach Belieben.
Frau R. fragte mich ob es wehtäte. Im Innersten tut es weh, ganz ehrlich, denn man gewöhnt sich aneinander und trotz oftmaliger Tumulte ging und geht es immer irgendwie. Aber erstens bin ich sicher, ganz, ganz sicher, dass es keine bessere Möglichkeit für die beiden Minitiger geben wird, zweitens warten bereits weitere Katzen auf ihre Chance und drittens sind Emmy und Maxi wunderbare Mädels, für die ein „Nichtwehtun“ auf keinen Fall reicht.
Nur alleine heute wurden am Hafen drei kleine Katzen gesichtet, ungefähr zwei bis drei Monate jung. Rot, schwarz und getigert. Die Mutterkatze könnte die wilde dreifarbige Katze sein, die immer mal gesehen wird, aber bisher nicht kastriert werden konnte, weil sie sich nicht fangen ließ. Herbstwürfe von Oktober schätze ich, wo Mutter Natur selber nicht wusste, dass die Welt im Schnee versinkt und solche Zwerge kaum Chancen haben. Wir alle, die Katzennothilfe und ein Mitarbeiter, der mich informierte und bei der betroffenen Firma arbeitet, werden ihr Bestes tun.
Ein großes Dankeschön hiermit an Familie R., die sich von vielen Tierfreunden unterscheidet und sich nicht scheut, den im Grunde unvermittelbaren Tieren mit viel Geduld und Verständnis ein entsprechendes Zuhause zu bieten!
Emmy und Maxi, meine beiden Süßen: Passt auf Euch auf und macht keinen Quatsch. Wir bleiben in Verbindung und ihr wisst, dass viele Zweibeiner sich freuen, wenn sie Fotos und Neuigkeiten von Euch zu sehen und zu lesen bekommen!
Euch erwartet eine weite Welt und wenn ihr hier geblieben wäret, so sähe das so aus: Ein paar Meter, die alten Gesellen genügen, aber nicht euch.

Einen lieben Gruß von Schneckchen an Euch beide: Ääätsch, sie kann jetzt wieder in Ruhe essen!!
Aber mal ehrlich, sie läuft hier hin und her und entweder ist sie froh über ihr wieder gewonnenes Terrain, oder sie vermisst Euch…
Das fürs lesen und euch allen eine gesunde Woche!
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